Martin Luther ist im zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts die Erkenntnis des Evangeliums, der guten Botschaft von Jesus Christus, neu geschenkt worden. Er erkannte: Gott rechtfertigt den Sünder allein aus Gnade, allein um Christi willen, allein aus Glauben, nicht durch Werke. Luthers Bemühen, die ganze Kirche dafür zu gewinnen, ist insofern gescheitert, als sich nur ein Teil der Christen der Reformation anschloss.
Dieser Teil bezeichnet sich selbst als “evangelisch”, nun auch im Gegenüber zur römisch-katholischen Kirche. Luther selbst hatte bereits 1521 “evangelisch” als Selbstbezeichnung vorgeschlagen. In Deutschland hat sich der Begriff als Sammelname für alle protestantischen Kirchen am Anfang des 19. Jahrhunderts durchgesetzt.
Der evangelische Glaubensansatz gründet sich auf der Bibel.
Neben den zentralen Bibeltexten können die drei “Sola” (zu Deutsch ´allein´) die Charakteristik des evangelischen Glaubensverständnisses in prägnanten Kurzformeln auf den Punkt bringen:
Sola scriptura (übersetzt: allein die Heilige Schrift):
Gegen die starke Betonung der Tradition in der Geschichte der Kirche setzte Luther die Auffassung, daß alles für das Heil Notwendige in der Heiligen Schrift geschrieben stehe. Die Tradition habe nur dann Gewicht, wenn sie auch von der Schrift gedeckt sei. An der Bibel soll man allein sein Denken und Handeln messen. Es sei in sich klar und deutlich, jeder könne es verstehen. Bis heute spielt die Verkündigung und das Lesen, Hören und Meditieren von Worten der Heiligen Schrift in der Kirche eine entscheidende Rolle. Dabei versucht Luther von der Mitte der Schrift her zu argumentieren: Das, “was Christum treibet”, ist für ihn von entscheidender Bedeutung.
Sola gratia – allein aus Gnaden:
Gott schenkt uns seine Gnade, wir können sie uns weder verdienen noch erarbeiten. Er eignet uns seine Gerechtigkeit zu und darin erweist er sich als der gerechte Gott, indem er uns gerecht macht. Die guten Werke sind damit nicht abgetan, doch sie erhalten einen anderen Stellenwert. Sie sind nicht Vorausbedingung unserer Annahme bei Gott, sondern die Konkretionen eines Glaubens, der in der Liebe tätig ist. Das Verhältnis von Gnade und guten Werken faßt Luther in das Bild vom Baum und seinen Früchten: Nicht die Früchte machen den Baum, sondern ein guter Baum bringt gute Früchte. Damit betont Luther auch die Trennung von Person und Werk. Niemand kann sich durch seine Taten umschaffen. Was den Menschen als Person auszeichnet, ist nicht das, wozu er sich macht, sondern wie er von Gott angesehen wird.
Sola fide – allein durch den Glauben:
Der Glaube besteht nach Luther in dem Sich-selbst-Verlassen, nicht auf seine eigenen Möglichkeiten bauen, sondern in allem auf Gott vertrauen. Der Glaube nimmt das Geschenk der Gnade an. Er ist nicht mein Werk, sondern Gottes Gabe, Einwohnung seines Geistes in mir, wie Luther in der Auslegung des 3. Glaubensartikels im Kleinen Katechismus klassisch formuliert hat: “Ich glaube, daß ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann; sondern der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiligt und erhalten…” Der Glaube sieht auf Christus, um ihm allein zu vertrauen. Er ist das Wagnis des Herzens und der ganzen Person, seine Hoffnung und seine Zukunft ganz auf Gott und seine Gnade zu setzen.